Es folgt eine Kritik der Android-App des HVV („HVV Fahrinfo“), die EOS Uptrade im Auftrag entwickelt. Mit der App kann man Verbindungen suchen, Abfahrtszeiten bestimmen, Mobiltickets kaufen, und Verbindungspläne anschauen. Ich würde die App als brauchbar bezeichnen, sie wird aber mit der Zeit immer nerviger. Das dschungelähnliche Tarifsystem des HVV tut ein Übriges.
Start
Beide Apps haben eine merkliche Startzeit. Touch & Travel ist etwas langsamer als HVV-Fahrinfo. Eigentlich haben beide Apps keinen Grund, langsam zu starten, weil sie erst bei einer Abfrage bzw. einer Transaktion mit einem Server kommunizieren müssen. Datenbanken und History könnten asynchron geladen werden.
Suche
Die Suche beim HVV ist zwar deutlich mächtiger als bei vergleichbaren Apps (mit Optionen wie „ortsfremd“, wie viel man für Bequemlichkeit oder Schnelligkeit aufzuwenden bereit ist, wie mobil man ist, ob schweres Gepäck dabei ist, etc.), aber dafür auch merklich langsamer. Besonders im Mobilfunknetz fällt das auf: In den Situationen, wo man schnell ein Ticket kaufen möchte, wartet man auf die Verbindung schmerzlich lange, und der Ticketkauf ist nochmal eine ganz andere Nummer.
Bei Touch & Travel entfällt das ganze, weil die Tarifberechnung automatisch nach Abschluss der Fahrt erfolgt. Zur Verbindungssuche muss man ggf. eine andere App benutzen.
Ticketkauf
Ein Ticket mit HVV-Fahrinfo zu kaufen, ist umständlicher als nötig und fast unerträglich langsam. Zu einem guten Teil ist das der Tarifstruktur des HVV geschuldet: Auch nach Jahren in Hamburg weiß ich häufig nicht, welches Ticket ich brauche, weil das wahlweise von Uhrzeit, Tarifzone, Tarifring, Zahlgrenze und vermutlich noch anderen Faktoren abhängt („HVV – Eine Wissenschaft“, „Hamburg, bekloppte Tarif-Perle“), so dass ich eigentlich jede Verbindung von der App raussuchen lassen muss, um dann genau das richtige Ticket kaufen zu können. Außerdem muss ich bei der HVV-App aus mir unerfindlichen Gründen immer auch die Starthaltestelle eingeben, da sich die Gültigkeit eben nicht nur nach Kaufzeitpunkt bemisst.
Der Flow ist also: App starten, Start und Ziel eingeben, auf Ergebnisse warten, eines raussuchen, auf den „Tarife“-Button tippen, einen von sechs Tarifen auswählen, evtl. noch den Schnellbuszuschlag anticken, ggf. das Häkchen entfernen, falls das Ticket nicht für einen selbst gekauft wird, die AGB annehmen (eine eigene Seite, nur für eine Checkbox!), eine Zahlungsmethode auswählen, bei Kreditkarte seinen Sicherheitscode eingeben, und schließlich auf „Kaufen“ drücken, lange warten (selten unter 5 Sekunden, manchmal auch deutlich länger), dann wird man auf den „Buchungen“-Tab geschmissen. Dort kann man seine Karte aber noch nicht abrufen, erst muss die App nämlich ein großes drei große Bilder laden, damit die Karte auch wie eine Fahrkarte aussieht. Erst dann (nochmal so 10 Sekunden) kann man sein Ticket endlich nutzen.
Ich habe übrigens keine Ahnung, wie es mit der Gültigkeit aussieht, denn auf dem Ticket steht dann „gültig am 14.06.2013“, aber auch eine Starthaltestelle, und oben ist eine Uhr, die ihre Farbe wechselt. Eigentlich sind Karten zum „sofortigen Fahrtantritt“, aber ich kann in der App eine spätere Fahrt wählen und eine Karte kaufen, ohne darauf hingewiesen zu werden. Puh. (Und selbst wenn ich keinen Schnellbuszuschlag auswähle, steht auf dem Ticket „1. Klasse incl. Schnellbus“. Ich hoffe, das ist Absicht und kein Bug, der jetzt schnell gefixt wird.)
Bei Touch & Travel tippe ich einmal auf „Fahrt beginnen“ und einmal auf „Fahrt beenden“ und erfahre dann, was es mich gekostet hat. Dabei wird automatisch die günstigste Verbindung gewählt. Außerdem großartig: Mehrere Einzelfahrten werden ggf. zu einer Tageskarte zusammengefasst, wenn das günstiger ist. In Hamburg muss ich mir vorher überlegen, ob ich am Abend zu Fuß heimgehe, ein car2go nehme, oder nochmal Bus & Bahn nehme und so eine 9-Uhr-Tageskarte günstiger wäre als zwei Einzeltickets.
Usability
Die HVV-App ist umständlich. Seit neuestem sind auch alternative Dienste integriert, wie car2go, myTaxi, und Europcar(!), die man erst wieder abschalten muss, wenn man bei der Verbindungssuche nicht einen extra-Tap machen will. Dann ist die App iPhone-Style in sechs Tabs unterteilt, von denen einige in der Funktion zu überlappen scheinen. So gibt es „Abfahrten“ und „Umgebung“ und „Karten“: „Abfahrten“ ermöglicht Abfahrten einer Haltestelle anzuzeigen, „Umgebung“ zeigt eine Umgebungskarte an, „Karten“ dafür aber die Linienpläne. Außerdem gibt es „Tickets“, wo aber nicht die gekauften Tickets auftauchen, und „Buchungen“, wo sie es tun. Warum all diese Funktionen gleich prominent in der Tableiste sind und nicht anders hätten gelöst werden können, weiß man nicht.
Nach dem Fahrkartenkauf hängt die Verbindungen-Tab der App weiterhin im letzten Screen vor dem Kauf. Man muss sich dann also umständlich zurück zur Eingabemaske hangeln. Wenn man nur einmal zu häufig auf „Zurück“ tippt, beendet sich die App (immerhin nach Hinweis).
Die Touch & Travel-App ist nicht schön, aber hat immerhin die Tabs oben, wie es bei Android üblich ist. Außerdem bietet sie quasi keine Funktionen: zwei der vier Tabs sind rein statisch-informativ – eine Erklärung von Touch & Travel bzw. ein Shortcut zur Webseite. Eigentlich braucht man nur die Start-Tab; alle Funktionen passen auf zwei Buttons („Fahrt beginnen/beenden“ und „Kontrolle“).
Fazit
Was ich mir am meisten wünschen würde, wäre ein ähnlich einfaches Tarifsystem wie in Berlin. Dort ist quasi alles, was in der Stadt liegt, eine Tarifzone, dann gibt es noch Kurzstrecke, die nach Haltestellenanzahl bepreist ist, fertig. Es gab dazu sogar schon eine Kleine Anfrage der Bürgerschaft zum Thema Kurzstrecke (PDF), die aber mit recht alberner Begründung verneint wurde. Ich verbuche das mal unter „unrealistisch, bis Politik mal das Gemeinwohl im Sinn hat“.
Realistischer und konkret sollte die HVV-App:
den switcHH-Schnickschnack wieder rauswerfen(ok, ich sehe ein, das kann sinnvoll sein, und es ist leicht abzuschalten)- die „Karten“ (Linienpläne) in irgendeinem Menü verstecken
- „Buchungen“ und „Tickets“ ebenso wie „Verbindungen“ und „Abfahrten“ zusammen führen
- Android-native UI-Konzepte verwenden (Sliding Tabs oben statt Button-Tabs unten, etc.)
- Wenn ich von der Verbindungsansicht zum Fahrkartenkauf wechsele, sollte die Verbindungsansicht sich automatisch zurücksetzen
- Beim Fahrkartenkauf sollten alle Checkboxes und Eingabefelder auf einmal angezeigt werden, wenn sie denn überhaupt sein müssen. Z.B. könnte man die Zustimmung zu den AGB auch nur dann einholen, wenn sich die AGB geändert haben. Im Idealfall wäre ein Fahrkartenkauf mit zwei Taps erledigt: Produkt auswählen, bestätigen. Fertig.
- Das aufwändig gerenderte Hintergrundbild bei den Fahrkarten kann man sich auch sparen, dann reduziert sich schlagartig das zu übermittelnde Datenvolumen für ein Mobilticket. Ein Bild ist eh wertlos als Marker, da es nicht kryptographisch signiert ist und damit nicht zu prüfen.
- Wenn ich drei Einzelfahrten kaufe, wäre es supergeilo, das automagisch zu einer Tageskarte oder 9-Uhr-Tageskarte zusammenzuführen. Früher mit Papiertickets wäre das aufwändig gewesen, heute ist es supereinfach und kundenfreundlich. Also bitte.
Etwas unrealistischer: Nehmt doch einfach an Touch & Travel teil, lieber HVV. Oder baut meinetwegen ein eigenes System, das genau so funktioniert, falls es Not-Invented-Here-Syndrom ist. Und bitte, gebt endlich eure Fahrpläne als Open Data frei. Gar keine Diskussion. Sprecht mit den Berlinern und OpenDataCity und allen, aber kommt aus dem gestrigen Denken mal raus.
PS: Es gibt einen USAR-Linienplan mit Zahlgrenzen von 2007 bei NimmBus.de. Jetzt überlegt euch mal, wie kompliziert das dann erst bei Bussen aussähe.