Erfahrungsbericht unu Scooter – Teil 3: unu liefert!

Im vorigen Teil hatte ich unu nach langem Warten genervt gebeten, meine Vorbestellung zu stornieren und mir mein Geld zurück zu überweisen.

Seit der Ankündigung sind jetzt gut anderthalb Jahre vergangen, und unu hatte seitdem mehr Liefertermine genannt oder versehentlich veröffentlich, als ich nachzählen möchte. Nachdem dann auch noch das Pech dazu kam, dass die gesamte erste Charge bei einem Großbrand vernichtet wurde, war eine zeitnahe Lieferung nicht mehr zu erwarten.

Auf meine Stornierungsanforderung boten mir unu eine Gutschrift über 200€ an und sprachen von einer Lieferung pünktlich zur nächsten Rollersaison. Nach einigem Überlegen und längerer Recherche nach Alternativen willigte ich ein: Zu dem Zeitpunkt gab es zwar einige andere solide Elektroroller auf dem Markt, aber die Entscheidung fiel mir schwer, da die Modelle entweder dem unu preislich ähnlich waren, aber deutlich weniger Features boten, deutlich günstiger waren, aber dann nicht besonders vertrauenserweckend wirkten oder veraltete Technik (z.B. Blei-Akkus) verwendeten, oder aber knapp doppelt so teuer waren (und trotzdem meist wenige Smart Features ankündigten). Und da ich im Winter eh nicht fahren wollte, blieb ich noch einmal beim unu.

Nach einem Lockdown-Winter rückte der “voraussichtliche” Februar dann langsam näher. Von unu gab es, mittlerweile erwartbar, keine weitere Kommunikation. Als der Februar dann schon fast vorbei war, und ich ihnen gerade eine Nachfrage mailen wollte, kommt eine Mail:

Mail von unu vom 26. Februar 2021 – “Dein unu Scooter ist auf dem Weg”

Ohne Betreff-Inhalts-Schere geht es natürlich nicht, denn “ist auf dem Weg” bedeutet “unser Logistikpartner meldet sich in den nächsten zwei Wochen”, aber dennoch war die Freude groß: So konkret war es bisher nicht gewesen, und eine Lieferung Anfang März schien greifbar, just als das Wetter besser wurde!

Ready to Ride?

Bevor der gelieferte Scooter gefahren werden kann, müssen noch zwei Dinge geschehen: Erstens muss eine Versicherung abgeschlossen werden, und zweitens die Spiegel fertig montiert. Dafür hat unu auch extra ein Anleitungsvideo gemacht.

unu bietet für die Versicherung einen Partner an: die Bayrische wirbt damit, “als einzige Teilkasko […] Akku und Helm mit [zu] versicher[n]”, allerdings für deutlich über 100€ im Jahr. Das kommt mir teuer vor: Ich vergleiche auf den einschlägigen Portalen und finde Alternativen für ~30-60€. Sollte die Akkuversicherung so viel ausmachen? Ich frage bei wgv und HUK nach und beide bestätigen mir, dass das natürlich auch bei deren Teilkasko mit versichert ist. Am Ende entscheide ich mich für die HUK, auch wenn sie ein paar Euro teurer ist als die wgv, weil die Versicherungsbestimmungen besser aussehen. Das ganze kostet etwas mehr als die Hälfte der von unu empfohlenen Versicherung – ein Schelm, wer hier Kickbacks vermutet.

Lieferung

Die Monate der Spiegel kann natürlich erst erfolgen, wenn der Roller da ist. Tatsächlich meldet sich Logwin sehr zeitnah und per Mail, und ich kann in einem Webformular den genauen Liefertermin auswählen. Am 2. März soll es so weit sein – die Vorfreude beginnt langsam, die Skepsis zu überwiegen.

Am Morgen des 2. März bekomme ich einen Anruf – die Spedition sei jetzt unterwegs. Eine Stunde später steht der Roller auf einer Palette und in einer großen Pappbox vor der Tür. Eine kurze Bestätigung, und die Spedition fährt wieder ab. Als ich beginne, den Roller auszupacken, frage ich mich, was ich mit der ganzen Pappe, vor allem aber der Palette machen soll, aber die Vorfreude lässt es mich bald wieder ignorieren. Auch die Spaltmaße trüben die Freude nur kurzzeitig:

unu Scooter (2021), Spaltmaße Fußbrett vorne
unu Scooter (2021), Spaltmaße Fußbrett hinten

(Die Spaltmaße sind dem “deutschen Tesla” würdig. Ob es von der Lagerung kommt, ob die Spannung durch Schrauben und Rahmen nicht bei der Planung berücksichtigt wurden, oder ob die Teile einfach aus schlechtem Material oder mit schlechten Toleranzen gefertigt wurden – wer weiß es schon.)

Ich packe die Starter-Box aus, die neben den Spiegeln und einem winzigen Schraubenschlüssel auch eine Kurzanleitung enthält, und beginne mit der Montage der Spiegel nach Anleitung des unu-Videos. Es ist einfach genug, und der erste Spiegel lässt sich problemlos festschrauben. Beim zweiten jedoch gibt es ein Problem: Trotz äußerter Vorsicht bricht die Spiegelhalterung sofort glatt ab:

Nach diesem Einstieg verpufft die Vorfreude erst mal komplett. Zum Glück erreiche ich telefonisch sofort jemanden bei unu, und da ich in Berlin bin, wird mir ein Austausch noch am selben Tag zugesichert. Und tatsächlich kommt noch am selben Abend jemand auf einem unu Scooter vorbei und tauscht die Spiegelhalterung aus. Offenbar war die Schwachstelle schon bekannt, und u.a. deshalb wurde auch das Video zur Montage gemacht. Gegen Materialschwäche hilft aber auch das beste Video leider nicht. Wir reden kurz über Spaltmaße und Verpackungsmaterial: Offenbar hätte die Spedition die Verpackung auch direkt wieder mitnehmen sollen, oder zumindest einen Termin für die Abholung vereinbaren. Man verspricht, das nachzuholen.

Schließlich und endlich ist der Scooter fahrbereit. Bis auf – ja, die Versicherung. Vielleicht wäre die von unu empfohlene Partnerversicherung schneller gewesen, auf die HUK muss ich noch ein paar Tage warten, bis ich endlich losfahren kann. Das gibt mir aber Gelegenheit, die Hardware in Augenschein zu nehmen und die Fahrbatterie voll aufzuladen.

Am Ende der Woche kommt endlich das Versicherungskennzeichen und es ist Zeit für die erste Fahrt. Es macht Spaß, den 4kW-Scooter zu fahren, auch wenn die Dauerleistung des Motors in Wahrheit nur 2,7kW ist. Die Beschleunigung ist im Vergleich zu den Gogoro-2, die früher COUP, jetzt TIER, im Sharing haben, anfänglich schwächer, aber holt schnell genug auf. Der Roller fühlt sich ein wenig unwillig an: eine kurze Prüfung zeigt, dass der Reifendruck offenbar durch die lange Lieferkette und Lagerung sehr niedrig ist. Die zweite Fahrt geht zur Tankstelle, und mit voll aufgepumpten Reifen macht der Roller seinem Namen alle Ehre: Der Motor ist komplett still, die Bremsen quietschen nicht, es gibt nur ein ganz leises Geräusch, das ich am ehesten mit “reibend” beschreiben würde.

Erstes Fazit

Jetzt, wo der Scooter tatsächlich fahrbereit vor mir steht, ist es auch Zeit für ein erstes Fazit. Im Vergleich zu den ursprünglichen Ankündigungen und den weiteren Versprechen von unu:

  • Der Roller kommt nur mit zwei Schlüsselkarten. Ein Entsperren oder Steuern via Smartphone ist noch nicht möglich, und es gibt noch nicht einmal einen Veröffentlichungstermin für die App, die über die letzten zwei Jahre immer im Präsens beworben und auch schon gezeigt wurde. Damit fehlt auch die beworbene Navigationsfunktion.
  • Die beworbene Motorleistung von 4kW ist haarscharf diesseits der Wahrheit – eigentlich ist es ein 2,7kW-Motor, der aber bis zu 4kW Spitzenleistung bringen kann. Die meisten anderen Hersteller sind hier ehrlicher und geben die Dauerleistung an.
  • Das Ansprechverhalten des Motors ist sehr konservativ konfiguriert. Mit 4kW sollte eine schnellere Beschleunigung möglich sein. Leider lässt sich die Beschleunigungskurve nicht definieren – andere Hersteller haben hier oft verschiedene Fahrmodi vorkonfiguriert.
  • Der von unu mitgelieferte Helm, dessen Wert bei der Vorbestellung noch mit 99€ beziffert wurde, ist ein Louis MTR Jet Fiber mit UVP 49,99€. Leider hat der Helm weder Sonnenschutz noch Visier, was ihn für Fahrten im Frühjahr, wo allerorten Hecken und Wiesen geschnitten werden und alles voller Pollen ist, eher unbrauchbar macht.
  • Der Scooter kommt lediglich mit einem Seitenständer, keinem Mittenständer. Das erschwert das Abstellen auf Untergründen, die nicht ganz fest oder nicht ganz eben sind.
  • Der versprochene Diebstahlschutz existiert nicht – eventuell würde der auch per App nachgeliefert, wenn und falls diese kommt.
  • Wenn der Fahrakku entnommen ist, ist der Scooter offline. Die Telematik zieht offenbar so viel Strom, dass sie nur mit dem Hauptakku betrieben wird. Die beiden Backup-Batterien halten nur die ECU aktiv und ermöglichen die Erkennung der Schlüsselkarte und das elektronische Entfernen der Lenkersperre. Sofern das nicht geändert wird, wird auch der eventuell kommende Diebstahlschutz sinnlos, da dieser auf Sensoren und Telematik setzt. Für einen Roller, der ursprünglich für Sharing designed war, macht das vielleicht Sinn, da bei diesen immer nur leere Akkus gegen volle getauscht werden, aber für Konsument*innen, die den Fahrakku zuhause – oft über Nacht – aufladen ist es absurd.
  • Der Blinker des Rollers wird mit einem einfachen Schiebeschalter bedient, den man weder per Knopfdruck zurücksetzen kann noch der sich automatisch abschaltet. Da der Blinker außerdem kein Geräusch macht und nur ein sehr kleines Icon im Display aufleuchtet, ist es sehr leicht, den Blinker zu vergessen – automatisches Abschalten des Blinkers wäre ein Komfortfeature, das ich bei einem 4000€-Fahrzeug schon erwarten würde, da die nötige Hardware sehr günstig ist.
  • Es gibt keine Möglichkeit zur Lichtsteuerung (Fernlicht, Lichthupe) und keinen Schalter für einen Warnblinker, alles Features, die die schon ein paar Jahre alten Gogoro-2 von Haus aus mitbringen.
  • Der Roller hat keine Überwachung des Reifendrucks (und wahrscheinlich auch nicht des Bremsdrucks). Die entsprechenden Sensoren und Empfänger sind auch nicht teuer. Das Fehlen dieses Features erstaunt besonders, weil die unus ursprünglich mal primär für einen Sharingbetrieb ausgelegt waren, und die Fernüberwachung von Reifen- und Bremsdruck hier ein wichtiges Feature für die Verkehrssicherheit und Wartung wäre. Auch hier macht Gogoro es vor.
  • Das Display des unu ist in einem Winkel montiert, der das Ablesen für mich bei 1,87m Körpergröße etwas unbequem macht, und der Winkel ist nicht justierbar. Das Display ist bei Sonneinstrahlung dafür gut lesbar, allerdings ist die Oberfläche aus relativ weichem Plastik gefertigt, das schnell Kratzer aufnimmt – diese dafür aber auch relativ schnell wieder verliert. Schon nach wenigen Tagen kriecht außerdem Kondensation zwischen die Schichten des Displays.
  • Schließlich kann der Roller entgegen der ursprünglichen Vorstellung nur einen Akku gleichzeitig nutzen. Es können zwar zwei Akkus mitgeführt werden, aber es wird nur einer angeschlossen und benutzt, und man muss die Akkus manuell tauschen, wenn einer leergefahren ist. Parallele Nutzung zweier Akkus würde nicht nur deren Lebensdauer erhöhen, sondern auch die Motorleistung und Reichweite verbessern. Das Feature wurde relativ lange beworben und m.W.n. nie offiziell entfernt, sondern einfach Roller mit nur einem bestückten Akkusteckplatz geliefert.

An diesem Punkt bin ich vollkommen in der Sunk Cost Fallacy drin und nehme die Ankündigungen von unu, dass viele Features sehr bald(tm) nachgeliefert werden, einfach hin, aber eigentlich ist es für eine Zeit von gut zwei Jahren seit Ankündigung und deutlich über einem Jahr Lieferverzögerung schon eine ziemlich schwache Leistung. Insbesondere fehlen eigentlich genau die Funktionen und Merkmale, wegen derer ich mich Mitte 2020 gegen andere Roller entschieden hatte. Noch bin ich aber guter Dinge und freue mich, dass ich mit den ersten Lockerungen des Lockdown nun mit meinem eigenen Gefährt langsam wieder die Stadt erschließen kann.

Im nächsten Teil geht es weiter mit – Problemen.

2 Replies to “Erfahrungsbericht unu Scooter – Teil 3: unu liefert!”

    1. Ja, hab ich auch schon selbst reingeschaut. Die Komponenten darin sind soweit wettergeschützt, bzw. läuft zB Wasser an den meisten vorbei. Aber klar, geil ist es nicht.

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