Homöostasis

Drei Liter Wasser am Tag soll man trinken, so wollen es die Zeitschriften, die Magazine, die Fernsehsendungen, die Ratgeber, die Experten, die Popkultur. Am besten natürlich das gute Mineralwasser, da es alle notwendingen Mineralstoffe und Spurenelemente enthält, um sich korrekt zu „rehydrieren“.

Das Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit das Tages. Wenn man es schafft, zum Frühstück nur Vollkornprodukte und einen Kaffee zu nehmen, bekommt man sicher irgendeinen Preis irgendeiner Gesundheitspostille. Vielleicht kommt sogar der Chefredakteur der Apotheken-Umschau persönlich vorbei und überreicht Blumen.

Drei Mahlzeiten am Tag sind wichtig, drei Mahlzeiten am Tag sind falsch, sind out, besser sind fünf, sieben, falls man abnehmen will, zwei, zu Abend isst man am besten gar nichts, oder jedenfalls nichts fettiges, nichts süßes, kein Fleisch, und am besten bis man satt ist, oder besser nur halb so viel, wie man möchte, oder vielleicht doch einfach nichts.

Leider kann ich nicht so oft und so laut „Bullshit!“ schreien, wie ich gerne möchte und wie all diesen Themen angemessen wäre. Die Supermärkte und Bücherregale, die Fernsehprogramme und nicht zuletzt das Internet sind voller Selbsthilfe-Tipps, Lebensratgebern, Expertenmeinungen, und einfachen Schritt-für-Schritt-Anleitungen für irgendwelche Erfolge. Und sie sind alle noch nicht einmal der selben Meinung, was denn nun der richtige Weg ist – mehrmals täglich kann man widersprüchliche Aussagen zu jedem Thema bekommen, immer in autoritativ klingende Worte verpackt. Wissenschaftler haben jetzt jedoch herausgefunden, dass das alles, nun ja, ziemlicher Unsinn ist.

Mindestens drei Liter Wasser am Tag, ein von der Mineralwasserindustrie gesponsortes Paper. Die Realität ist, dass man einfach auf sein Durstgefühl hören sollte und die meisten Menschen einfach nie zu wenig trinken. Mineralwasser ist zumindest in Deutschland, wo die Trinkwasserqualität durchgehend sehr hoch ist, wirtschaftlicher, ökologischer und gesundheitlicher Unsinn: Grenzwerte für Schadstoffe und Krankheitserreger sind für abgefülltes Wasser deutlich lascher als für Leitungswasser, außerdem gibt es für letzteres schon Infrastruktur in fast jeden Haushalt, man muss also nichts abfüllen, transportieren, vertreiben oder zurücknehmen. Wenn der Urin mal etwas dunkler ist als sonst, ist das kein Alarmsignal, sondern schlicht der Körper, der mehr Wasser zurückhält. Trinkt man so viel, dass der Urin fast klar ist, verschwendet man schlichtweg Wasser, das der Körper dann einfach ausscheidet.

Frühstücken soll man, wenn man morgens hungrig ist. Das geschieht mir z.B. fast ausschließlich, wenn ich am Vorabend kohlenhydratreich gegessen habe, also Pizza oder belegte Brote. Wie mit der Ernährung im Allgemeinen, sollte man auch zum Frühstück möglichst wenig Kohlenhydrate konsumieren, erst recht nicht aus Vollkornprodukten, die den Verdauungstrakt unnötig reizen oder schädigen.

Auch für die restlichen Mahlzeiten des Tages kann man auf seinen Körper hören und essen, was man will, wann man will, so viel man will – eigentlich. Denn wir sind leider durch Arbeitswelt und ähnliche strukturelle Widrigkeiten Zwängen unterworfen, die uns häufig darin einschränken, was und wann wir essen können. Außerdem sind wir häufig stark auf Zucker und andere Kohlenhydrate trainiert und nehmen diese als normalen Bestandteil der menschlichen Ernährung wahr, statt als Droge, aus deren Abhängigkeit wir uns befreien sollten.

Grundsätzlich können und sollten wir unseren Körpern jedoch vertrauen. Jahrtausende der Evolution haben zwar kein perfektes Wesen hervorgebracht, aber immerhin eines, das in fast allen Umgebungen überleben kann. Solche Triebe wie Hunger, Durst oder Schlafbedürfnis sind verlässlich, der Körper versucht sich selbst im Gleichgewicht zu halten – Homöostasis. So lange wir uns nicht mit unnatürlichem Verhalten sabotieren und bis in die Nacht arbeiten, zu viele Kohlenhydrate zu uns nehmen, Alkohol und andere Drogen missbrauchen, so lange ist unser Körper ein zuverlässiger Ratgeber in Überlebensfragen. Es ist albern und traurig, dass in unserer Gesellschaft so viele Menschen in diesen Fragen so unglaublich unsicher sind, was elementarste Bedürfnisse angeht.

Unsere Umgebung ist in vielfacher Hinsicht unnatürlich, aber wenig ist so grundlegend schädlich wie die breite Verwirrung hinsichtlich Schlafen, Trinken und Essen – nicht ohne Grund werden diese Bedürfnisse immer wieder zuerst genannt, wenn es darum geht, was für das Überleben notwendig ist und in welcher Reihenfolge. Wir sollten auf unsere Körper hören. Homöostasis knows best.

Worte mit E

Ich gehe durch den dunklen Abend eines goldenen Herbsttages und schaue die verschwommenen Lichter der Ampeln in der Ferne an. Die Luft ist kühl und klar und meine Daunenjacke sorgt dafür, dass ich groß, weich und warm bin, egal was der Wind davon hält. Das Leben ist gut, eigentlich, und da ist es wieder, dieses Wort mit E, aber es hält sich zurück, wiegt mich in Sicherheit. Einen Schritt vor den anderen, nicht zu weit nach vorne denken, erst recht nicht zu weit zurück, im Jetzt sein und den Moment genießen.

Der Späti strahlt schon von weitem aus großen Schaufenstern und vielfarbigen Leuchtschriften auf die Straßenecke. Zwei Sterni, 1,20€, hinter der Theke ist gerade niemand, ich stehe kurz das Getränkesortiment anstarrend im Laden und versuche, einen Plan für die nächsten Sekunden zu schmieden. Dann betritt ein Pärchen in schwarzer Kleidung mit Dreadlocks, Piercings und Armeerucksäcken den Laden, ihr Gespräch lockt den Verkäufer an, man erkennt sich, sie werden mit Namen begrüßt, ich kann mein Bier bezahlen und wieder in die Nacht entschwinden, ohne beim Bezahlen höfliche Konversation halten zu müssen.

Vor der Haustür parkt ein ThyssenKrupp-Firmenwagen sehr eng neben einem Smart ein, während ihn die Leute, die vor der Kneipe rauchen, insistierend anstarren. Dann fällt die Tür hinter mir ins Schloss.

So bin ich also da, und sie ist es nicht, sie ist im Ausland, sie ist in Bochum, sie ist auf dem Weg zu mir, sie ist in Hong Kong, sie hat sich von mir entlebt, sie ist in der Vergangenheit, ich bin dem thermodynamischen Zeitpfeil ausnahmsweise dankbar dafür, dass er so etwas wie Ordnung ins Universum bringt, oder zumindest eine brauchbare Annäherung daran in unserer Wahrnehmung manifestiert.

Eigentlich ist alles ganz einfach, außer es betrifft Emotionen. Es kann kein Zufall sein, dass alle diese Worte mit E anfangen, aber ich habe aufgegeben, mir Theorien auszudenken, die Wirklichkeit ist sowieso bizarrer, das führt nur zu Enttäuschung.

Der Abend wird gut, geradezu großartig, wie sich Abende halt so entwickeln, wenn man nichts plant. Wir reden, sie raucht auf dem Balkon, es läuft Helge Schneider und Death Metal, irgendwann sind wir nackt. Weil wir beide zu müde sind, um die ganze Nacht durch zu vögeln, konzentrieren wir alles auf die nächste Stunde, danach fehlt mir Haut an diversen Körperstellen, dafür habe ich an anderen Stellen Blutergüsse, so gleicht sich alles aus. Sie spült ihre Augen aus, ich wasche das Sperma aus dem Bart, wir schlafen ein, während wir darüber reden, dass wir nicht schlafen wollen.

Am nächsten Morgen wachen wir viel zu früh auf, weil das Licht sich um die Verdunkelungsvorhänge schleicht und weil die Nachbarn irgendetwas sehr wichtiges ausdiskutieren müssen. Sie zieht sich an, während ich im Bett liege, ich küsse sie auf die Stirn, dann bringe ich sie zur Tür, stehe nackt im Flur und schaue ihr hinterher, wie sie die Treppe herunter geht. Ich lege mich wieder hin, was sich bald als Fehler herausstellt, da mir erst die Verabredung für den Nachmittag absagt und ich dann eine Mail mit einem Scan meines Einkommensteuerbescheids bekomme, den ich erst mal falsch lese. So habe ich nicht nur keinen Grund mehr, zu einer bestimmten Zeit aufzustehen, sondern beim Gedanken an fast 7.000 Euro Steuerzahlung auch keine Lust, überhaupt jemals wieder aufzustehen. Als ich die Mail zehn Minuten später nochmal lese, sehe ich, dass der geforderte Betrag eigentlich nur etwa Tausend Euro sind, nicht schön, aber machbar. Erleichterung, aber nicht genug zum Aufstehen.

So vergeht der Vormittag, meine Laune sinkt mit meinem Blutzuckerspiegel, und dann fühle ich mich zu schlecht und zu schwach, um frühstücken zu gehen. Erst der Gedanke auf Kuchen mit Freunden treibt mich an, endlich aufzustehen und zu duschen, dann sitze ich unangezogen auf dem Bett herum und denke an Burger und daran, wie ein Freund schrieb, er „lehne die Kategorisierung von Nahrungsmitteln in Mahlzeiten ab“. Eine halbe Stunde später sitze ich an der Bar im Burgeramt und beobachte, wie immer wieder Menschen in den komplett vollen Laden kommen und mit einer betörenden Naivität nach Tischen für acht Personen fragen, nein, sie haben nicht reserviert, wie, draußen warten, hm, dann ziehen sie wieder ab.

Eine weitere halbe Stunde, ich bekomme einen wagenradgroßen Teller English Breakfast, alles ist gut. Während ich als letztes die gerade noch warmen Pommes esse, kommt ein Freund vorbei, wir reden über Psychologie, Beziehungen und Arbeit, ich bewundere die architektonische Leistung, die im Halloumi-Burger steckt, erwische mich ein paar Mal dabei, wie ich auf ein Smartphone schiele und packe es dann einfach weg, und die ganze Zeit läuft hinter uns der selbe Dialog ab, nein, sie haben grade keinen freien Tisch, die Wartezeit beträgt etwa 45 Minuten und man solle bitte draußen warten, wozu brauchen sie den Vornamen denn? Ach, dieses Berlin.

Dann irgendwann, endlich, Kuchen bei Louise, alles ist so nett dort, ich lerne Dinge über Motorräder, wir sprechen über konservative Firmen und schlechten Code. Diese ganze Arbeitssache ist eventuell eine Fehlentwicklung, wofür haben wir den ganzen Fortschritt eigentlich? Immerhin gibt es Schokoladentarte und Chocolat Chaud, es ist nicht alles schlecht; wenn man nicht zu viel darüber nachdenkt, fühlt sich alles ziemlich okay an, und dieser Strichpunkt ist nur für sie. Noch eine Pfefferminzsirupschorle zum Abschluss, dann heim, nochmal ’ne Stunde schlafen vor dem Abend.

Die Luft ist kalt und es riecht nach Winter.

Verkehr

(Wenn ich schon nicht über Sex schreibe, dann doch wenigstens über Verkehr.)

Die Hamburger Grünen haben vor kurzem ein Verkehrskonzept vorgestellt, und wenn ich mit grüner Politik häufig wenig anfangen kann: diesem Konzept kann ich mich fast uneingeschränkt anschließen, ja, ich würde es sogar erweitern.

Effektiv fährt in der Stadt niemand 50 km/h. Die durchschnittliche Geschwindigkeit liegt etwa bei 20 km/h (1, 2, 3), dazwischen ist man vor allem mit Beschleunigen und Abbremsen beschäftigt. Das ist nicht nur unglaublich nervig und führt zu mehr Road Rage als nötig, es ist auch sehr ineffizient: beim Beschleunigen wird am meisten Treibstoff verbraucht, beim Abbremsen wird bei den meisten Fahrzeugen die ganze Energie in Wärme umgewandelt – verschwendet also. Außerdem ist die Unfallgefahr größer, weil ein dauerndes Beschleunigen und Abbremsen die Gefahr von Auffahrunfällen, aber auch die Risiken von kurzer Unaufmerksamkeit erhöht. Übersieht man das Abbremsen des Vordermanns oder den Fußgänger an der roten Ampel, ist die Reaktionszeit bei 50 km/h bereits signifikant kürzer als z.B. bei 30 km/h. Und realistischerweise versuchen viele Autofahrer auch, die Phasen, in denen es langsam und stockend voran geht, durch höhere Geschwindigkeit dazwischen auszugleichen. Es wird also nicht auf 50 km/h beschleunigt, sondern man schießt mit 65–70 km/h durch die Stadt.

Die Grünen fordern aus diesen Gründen ein Tempolimit in Städten von 30 km/h, die Bundesgrünen bringen immer wieder ein generelles Tempolimit von 120 km/h ins Gespräch, beide Forderungen kann ich uneingeschränkt unterstützen.

Der Verkehr in der Stadt ist einem dauernden Wandel unterworfen. Ob Fußgänger und Pferdekutschen oder Kleinwagen und Straßenbahnen, ob Individualverkehr oder ÖPNV, jede Art der innerstädtischen Fortbewegung und jedes Zusammenspiel der Verkehrsmittel benötigt zugeschnittene Policies. Gerade in den Großstädten nimmt der Individualverkehr mit Fahrrädern massiv zu. Die Reality on the Ground wie auch die Verkehrspolitik sind aber noch auf einem mehrere Jahrzehnte zurückliegenden Stand, in dem fast jeder Haushalt ein KFZ besitzt und fast alle Wege mit dem Auto zurück gelegt werden. Die Prioritäten im Ausbau der Verkehrsnetze galten also so gut wie immer den Autos und den Lastwagen: Mehr Autobahnen, mehr Spuren, längere Grünphasen für die Straße, Schnellstraßen im Stadtgebiet, mehr Parkplätze, mehr Parkplatzbewirtschaftung.

Langsam kommt die Erkenntnis an, dass dem motorisierten Individualverkehr, insbesondere mit Autos, nicht die Zukunft gehört. Klimawandel, Abgase, Lärm und der Fakt, dass beinah jeder volljährige Mensch in diesem Lande eine mehrere Tonnen schwere Waffe besitzen und führen darf, mit all seinen Folgen, haben zu einem langsamen Umdenken geführt. So gibt es einerseits den Impuls, den Autofahrern in die Tasche zu greifen – die eigentlich für den Erhalt und Ausbau der Straßen vorgesehenen Mittel werden gerne anderweitig eingesetzt und reichen sowieso hinten und vorne nicht – indem man zum Beispiel eine Maut für Innenstädte, für Schnellstraßen oder für Autobahnen propagiert. Oder man gibt dem Lobbyismus wenigstens den Anschein der Nachhaltigkeit und bezuschusst Hybrid- und Elektrofahrzeuge, wovon besonders die heimischen Autohersteller profitieren. Nachhaltige und der Lebensrealität der Städter angepasste Lösungen kommen erst langsam in den politischen Mainstream: Fahrradstraßen statt Fahrradwege, kein halbgares Umleiten des Fahrradverkehrs über holprige, schlecht gewartete, zugeparkte Wege, die von den tonnenschweren Gefährten auf der eigentlichen Straße kaum gesehen werden können. Eine Stärkung des ÖPNV durch Busbeschleunigung, höhere Taktung, und Erweiterung des Verkehrsmittelangebots z.B. durch eine Tram (in Hamburg: Stadtbahn). Verkehrsberuhigte Zonen können ausgeweitet werden, Umweltzonen gezielter eingesetzt (und durchgesetzt).

Bei der Forderung nach einer chipgestützten Innenstadtmaut kann ich bei den Grünen allerdings nicht mitgehen. Zu groß ist nicht nur das Risiko eines Datenschutzproblems, wenn alle Autos noch leichter zu verfolgen sind; frühere Versuche mit Maut in Deutschland haben uns vor allem gelehrt, dass größere technische Projekte immer im overengineerten Desaster enden. Man muss sich dazu nur Toll Collect ansehen, welches zwar T-Systems und den Kollaborateuren guten Umsatz beschert und so den „Wirtschaftsstandort Deutschland“ geschmiert gefördert hat, aber noch lange nach dem Start mit technischen Problemen zu kämpfen hatte, nicht zuletzt wegen der hohen Komplexität im Vergleich zu anderen vorgeschlagenen Systemen. Eine Innenstadtmaut ist des weiteren aus sozialen Gründen zu kritisieren: Sie schließt primär Menschen mit geringem verfügbaren Einkommen aus, der Verkehr würde so noch mehr zu einem Zweiklassensystem: Auto fahren ist was für die Reichen, der Pöbel quetscht sich in Bus & Bahn.

Schließlich aber geht mir eine Innenstadtmaut nicht weit genug. Statt dessen plädiere ich für eine gänzlich autofreie Innenstadt. Ausnahmen gibt es außer für den ÖPNV nur für Krankentransporte u.ä. und für Lieferverkehr (sinnvollerweise zeitbeschränkt). Man kann überlegen, ob man auch Carsharing oder Taxis zulassen möchte, handelt sich damit aber eventuell wieder soziale Probleme ein. Die freien Straßen kann man dann für eine engere Taktung der Busse und mehr Busspuren nutzen, kann eine Straßenbahn einsetzen, und die Innenstadt so gleichzeitig ruhiger, freundlicher, stressfreier, ungefährlicher und besser erreichbar machen.

Überhaupt die Stadtbahn. In Hamburg ist die Umsetzung nach sehr langer Planungsphase nun schon mehrmals gescheitert, zuletzt in Hamburg-Nord, nicht zuletzt am Widerstand der Anwohner. Das hindert die Grünen nicht daran, eine stadtweite Straßenbahn vorzuschlagen, eine vermutlich nicht sehr realistische, aber durchaus interessante Forderung. Nicht zuletzt Berlin zeigt die Vorteile und die Akzeptanz einer Straßenbahn auf, die auch hinreichend große Teile des Stadtgebiets abdeckt. Im Zusammenspiel mit Bus, U- und S-Bahn ist so fast jeder Punkt „im Ring“ nur wenige Minuten von einer Haltestelle entfernt. Hamburg betreibt mit den Metrobussen 4, 5 und 6 bereits einige der meistgenutzten Busstrecken Europas und setzt dafür ob der hohen Fahrgastmengen sogar spezielle Doppelgelenkbusse ein. Gerade für diese Routen böte sich eine Straßenbahn an: Relativ günstig in Bau und Anschaffung, konsistenter und damit zuverlässiger als Busse, da weniger oder (im Idealfall) gar nicht vom Straßenverkehr abhängig, mit mehr verfügbarem Raum für Passagiere. Fraglich bleibt nur, ob man die Einwohner Hamburgs diesmal von einer Straßenbahn wird überzeugen können, oder ob die Durchführung wieder an Widerwillen und „Not in my back yard“-Ängsten scheitert.

Die Zeit für eine zukunftsgerichtete und damit nachhaltige Verkehrspolitik jedenfalls ist mehr als reif. Die Hamburger Luftqualität sinkt, die Feinstaubbelastung ist besonders entlang der Hauptstraßen über allen akzeptablen Werten. Die Stadt läuft nicht nur Gefahr, ihre Liebenswürdigkeit und Lebensqualität einzubußen, sondern auch, den richtigen Zeitpunkt für eine Umstellung der Weichen zu verpassen: Autos dürfen nicht länger auf Kosten aller anderen Verkehrsteilnehmer bevorzugt werden. Geänderte Realitäten müssen sich endlich in der politischen Entscheidungsfindung niederschlagen.

Am besten, Sie schreiben ihrem Bürgerschaftsabgeordneten noch heute.

Die Affäre-Affäre

Ich habe ein Problem mit dem Wort „Affäre“, da ich es als abwertend empfinde. Es setzt die anderen Beteiligten einer Beziehung herab und verkennt die Realität sowie das Ideal von Beziehungen. Auf Twitter ergab sich eine längere Diskussion aus meinen Tweets (1, 2, 3); da Twitter aber nun ganz und gar nicht für kohärente, ausformulierte Diskussion zu gebrauchen ist, hier die ausführliche Version.

„Affäre“ kommt aus dem Französischen und bezeichnet im allgemeinen Sprachgebrauch einen Skandal oder eine sexuelle Beziehung, die häufig neben einer bestehenden Partnerschaft stattfindet (Wikipedia: Affäre).

Bereits im allgemeinen Sprachgebrauch sind also deutlich negative Konnotationen vorhanden: Eine Affäre ist Aufsehen erregend, anstößig, gesellschaftlich unerwünscht und muss deshalb möglichst verheimlicht werden, um die Beteiligten keinen Sanktionen auszusetzen. Außerdem wird es so vornehmlich als Gegenentwurf zur „eigentlichen“ Partnerschaft (gemeint ist hier die klassisch-konservative monogame romantische Zweierbeziehung, im Folgenden RZB) verwendet und bestärkt diese somit als „Normalfall“, von dem unterschieden wird. Diese Abgrenzung wäre nicht nötig, wenn damit nicht auch eine Wertung vorgenommen werden würde – eine Affäre ist also irgendwie schlechter oder weniger wert als eine RZB.

Die Abgrenzung zur „festen“ Partnerschaften setzt somit auch die Existenz und Unterscheidung von „Hauptbeziehungen“ und „Nebenbeziehungen“ voraus. Damit wird ein Beziehungsmodell verfestigt, welches harte Grenzen zwischen verschiedene Ebenen von zwischenmenschlichen Beziehungen behauptet: Menschen sind entweder fremd, bekannt, befreundet, haben Sex miteinander, oder lieben sich. Auch wenn Menschen gerne und häufig in starken Schwarz-Weiß-Mustern denken, um Dinge zu klassifizieren, so sind doch die allermeisten Wahrnehmungen und Interaktionen nicht klar unterscheidbar (diskret), sondern verlaufen im Gegenteil ineinander (sie sind kontinuierlich). Behauptet oder impliziert mensch, dass es klare Abgrenzungen gibt, verkennt mensch nicht nur eine Fülle von real existierenden Spielarten von menschlichen Beziehungen, sondern trifft auch eine normierende Aussage: Wer sich nicht in diesen Schubladen wiederfindet, wird verunsichert und unsichtbar oder nicht ernstgenommen, es ist also eine Form der Diskriminierung (siehe bspw. auch: Bisexual erasure).

In den Antworten bei Twitter gab es dann häufig den Versuch, den eigenen Sprachgebrauch zu ergründen und den Begriff „Affäre“ für sich selbst zu definieren bzw. die Verwendung des Begriffs zu rechtfertigen. Häufig wurde dabei genannt, dass „Affäre“ eine „Beziehung ohne Liebe“, „körperliche Beziehung“, „ohne romantische Gefühle“, eine „Sexbeziehung“, oder eine „nur Sex, aber nicht mehr“-Beziehung beschriebe. Auch wurde oft gesagt, „Beziehung“ meine mehr Verpflichtungen, mehr Fürsorge, oder mehr Nähe als „Affäre“.

Auch das halte ich aus mehreren Gründen für problematisch. Zuallererst gibt es meiner Erfahrung nach keine Beziehungen ohne Gefühle. Menschen sind fühlende Wesen. Selbst spieltheoretische Abwägungen werden in Gefühle kodiert und den allermeisten nur als „Bauchempfinden“ bewusst. Daher behaupte ich, dass niemand Beziehungen ohne Gefühle hat.

Aus den anderen Antworten ergibt sich aber, dass mit „ohne Gefühle“ wohl häufig „Sex, aber keine Liebe“ oder „Sex und nicht mehr“ gemeint ist. Hier wird vorausgesetzt, dass es eine strikte Ordnung von Beziehungsformen gibt und dass Sex weniger wert ist als Liebe. Außerdem schwingt mit, dass mensch für solche Beziehungen weniger oder gar keine Verantwortung übernehmen müsse. Beides halte ich für falsch und diskriminierend: Auch hier verkennt die strikte Folge implizit die Lebensrealität vieler Menschen und es werden Werturteile über bestimmte Beziehungsformen getroffen. Schließlich finde ich die Implikation, solche Beziehungen brauchten weniger Verantwortung, im Hinblick auf die Moral der Fürsorge verwerflich und gefährlich. Das Konzept „Beziehung ohne Gefühle“ halte ich insgesamt für stark kritikwürdig.

Ich behaupte (und lebe danach), dass alle Beziehungen, die Menschen miteinander haben, auf Liebe basieren, und nehme es in Kauf, dafür als Hippie bezeichnet zu werden. Ich lehne es ab, Beziehungen in Schubladen zu stecken und treffe keine diskrete Unterscheidung zwischen Bekannten, Freunden und Geliebten. Meine eigene Lebenserfahrung und die Beobachtungen in meinem Umfeld haben mich stark davon überzeugt, dass alle diese Interaktionen in einem Kontinuum von Liebe liegen. Beginnt mensch, willkürliche Grenzen zu ziehen, blendet mensch damit alles aus, was nicht explizit bedacht wird; die Vielfältigkeit von Beziehungen garantiert, dass dabei Dinge unter den Tisch fallen. Schließlich denke ich, die Welt könnte mehr Fürsorglichkeit und Verantwortung gebrauchen.

Daher bitte ich alle Leser_innen: Hinterfragt euren Sprachgebrauch und eure Grundannahmen. Und konkret zumindest: Überdenkt eure Nutzung des Wortes „Affäre“.

Arschlöcher

  • Wenn ihr Leute anrempelt, weil euer Termin so superwichtig ist, seid ihr nicht erfolgreich, sondern verhaltet euch scheiße.
  • Wenn ihr irgendwelche Angestellten oder Beamten zur Sau macht, weil sie nicht alle Regeln für euch brechen, seid ihr Arschlöcher.
  • Wenn ihr im Bus hinten einsteigt, obwohl ihr vorne einsteigen sollt, in der Annahme, dass der Busfahrer keinen Nerv mehr auf Stress hat, seid ihr Arschlöcher.
  • Wenn ihr schwarz fahrt, obwohl ihr euch problemlos Fahrkarten leisten könntet, seid ihr unsoziale Arschlöcher.
  • Wenn ihr euch bevorteilt und denkt, so lange man damit durchkommt, ist es okay, seid ihr Arschlöcher.
  • Wenn ihr einer Partei deshalb beitretet, weil sie klein ist und ihr euch deshalb gute Chancen auf einen Platz in einem Parlament oder einer Parteifunktion ausrechnet, seid ihr Arschlöcher.
  • Wenn ihr Politiker seid und Fragen der Bürger nicht ehrlich und geradlinig beantwortet, seid ihr Arschlöcher.
  • Wenn ihr als Politiker alles tut, um nicht transparent zu sein, Verantwortung zu tragen oder gar Rechenschaft schuldig zu sein, seid ihr Arschlöcher.
  • Wenn ihr mit Schmutz werft, um Konkurrenten zu beschädigen, obwohl ihr wisst, dass die Anschuldigungen falsch sind, seid ihr Arschlöcher.
  • Wenn ihr euch an Pöstchen festklammert, obwohl ihr euch falsch verhalten habt, seid ihr Arschlöcher.
  • Wenn ihr Verantwortung für Fehler auf eure Mitarbeiter abwälzen wollt, seid ihr Arschlöcher.
  • Wenn ihr gegen gleiche Rechte für alle seid, egal wie ihr es begründet, seid ihr Arschlöcher.
  • Wenn ihr mit eurem frischen EBS-MBA Leute herumkommandiert, ohne Ahnung von Geschäft oder sozialer Interaktion zu haben, Newsflash, ihr seid Arschlöcher.
  • Wenn ihr Frauen oder Männern oder irgendwem vorschreiben wollt, was sie anziehen dürfen oder was nicht, seid ihr Arschlöcher.
  • Wenn ihr Menschen vorschreiben wollt, mit wem sie wie konsensuellen Sex haben dürfen, seid ihr Arschlöcher.
  • Wenn ihr Druck auf Menschen ausübt, damit sie euren Vorstellungen von Schönheit entsprechen, seid ihr Arschlöcher.
  • Wenn ihr eure Freundin oder euren Freund beleidigt oder emotional erpresst, seid ihr Arschlöcher.
  • Wenn ihr einer Frau Anzüglichkeiten zu- oder nachruft, dann ist das kein Flirten, sondern Arschlochverhalten.
  • Wenn ihr abends direkt auf sie zusteuert, wenn sie euch entgegenkommt, dann ist das bedrohliches Arschlochverhalten.
  • Wenn ihr meint, ihr mitteilen zu müssen, dass ihr Asyl für die Nacht braucht und auch total gut im Bett seid, dann ist das kein lustiger Scherz, ihr seid schlicht Arschlöcher.
  • Wenn ihr anderer Menschen Erfahrungen mit Gewalt relativiert oder abtut, seid ihr Arschlöcher.
  • Wenn ihr das Klischee reproduziert, dass Frauen einer Bevölkerungsgruppe irgendwelche besonderen negativen Attribute haben, ist das keine Satire, ihr seid Arschlöcher.
  • Wenn ihr Vergewaltigung trivialisiert, seid ihr nicht Querdenker, sondern Arschlöcher.
  • Wenn ihr sexuelle Gewalt kritisiert und ein „aber“ anschließt, seid ihr Arschlöcher.
  • Wenn ihr Menschen bedrängt, bis sie unehrliche Zustimmung geben, seid ihr Arschlöcher.
  • Wenn ihr „kein Nein“ als „Ja“ lest, seid ihr Arschlöcher.
  • Wenn ihr kein „Nein“ akzeptiert, seid ihr Arschlöcher.
  • Wenn ihr lieber recht habt, als zu kommunizieren oder einer Person zu helfen, seid ihr Arschlöcher.
  • Wenn ihr abschätzig über „die Ausländer“ redet, egal wie sehr ihr es relativiert, seid ihr Arschlöcher.
  • Wenn ihr darüber lacht, dass Polen ja dauernd Autos klauen, seid ihr Arschlöcher.
  • Wenn ihr Obdachlose, Asylbewerber, Migranten, Hartz-IV-Empfänger, scheiße findet, statt die strukturellen Probleme zu hinterfragen, seid ihr nicht „liberal“, ihr seid Arschlöcher. (Wobei das in der deutschen Politik das gleiche zu sein scheint.)
  • Wenn ihr Vergewaltigung in der Ehe legitimieren wollt, seid ihr nicht konservativ, sondern Arschlöcher.
  • Wenn ihr Sex mit Kindern legalisieren wollt, seid ihr keine Freidenker, sondern Arschlöcher.
  • Wenn ihr irgendwem verbieten wollt, eine gleichberechtigte Partnerschaft gesetzlich legitimieren zu lassen, rettet ihr nicht das Abendland, sondern ihr seid Arschlöcher.
  • Wenn ihr total scharf-kritische Fragen zu irgendwelchen Texten über Gleichberechtigung, Feminismus, etc. stellt, seid ihr keine Philosophen, ihr seid nicht mal Trolle, ihr seid schlichtweg Arschlöcher.

Wir waren alle mal Arschlöcher. Lasst uns damit aufhören. Spätestens ab jetzt wäre gut.

Weiter lesen: Arschloch-Theorie, Moral der Fürsorge.

Es gibt keine technische Sicherheit

Die NSA-Affäre und der Überwachungsskandal sind nun seit einiger Zeit in den Medien, und neben den politischen Forderungen und dem sozialen Aktivismus gibt es auch wieder und wieder den Versuch, technische Lösungen zu propagieren. So wird die Benutzung von PGP/GPG empfohlen, TrueCrypt propagiert oder die Installation von Threema und Co. nahegelegt, um „sicher“ zu kommunizieren. Doch absolute Sicherheit kann es nicht geben.

Threema erklären zwar in ihren FAQ, welche Verschlüsselungsverfahren sie wie einsetzen, aber obwohl das alles richtig aussieht und sie einen Validator zur Verfügung stellen, ist der Quellcode der eigentlichen Anwendung nicht offen. Man kann also nicht überprüfen, ob ihre Aussagen wahr sind, ob es eventuell Drittschlüssel gibt, oder ob es Fehler in der Implementierung gibt. Womit ich keineswegs suggerieren will, dass Threema unfähig oder gar bösartig seien – aber Implementierungen, die nicht offen sind, sind eben nicht nachprüfbar.

Whisper Systems machen es mit RedPhone für verschlüsselte Telefonie und TextSecure für verschlüsselte SMS besser, indem sie den Quelltext offen legen. TrueCrypt ist zwar Open Source, aber man weiß nicht, wer dahinter steckt, und die Verschlüsselung ist nirgendwo begründet dargestellt. Außerdem werden immer mal wieder sicherheitsrelevante Änderungen vorgenommen, ohne dass die Intention dahinter klar ist. PGP/GPG sind von Beginn an Open Source und durch mehrfache Implementation vertrauenswürdiger. Allen gemein ist aber weiterhin, dass sie vornehmlich in Binärform verteilt und verwendet werden. Damit ist der Vorteil des offenen Quelltextes nur noch akademischer Natur – die Version, die ich herunterlade und ausführe, muss mit dem Quelltext nichts mehr zu tun haben. Und seit klar ist, dass die NSA auch SSL abhören kann, ist auch sicher, dass sie Downloads auch auf dem Weg austauschen könnte – selbst wenn man den Entwickler_innen vertraut, muss die Datei, die man bekommt, keineswegs auch die von den Entwickler_innen bereitgestellte sein.

Open Source ist eine notwendige Bedingung für Sicherheit, aber keine hinreichende. Auf der Oberfläche ist recht klar, dass man der binären Distribution nicht vertrauen kann. Systeme wie Apples App Store oder der Google Play Store können also per se nicht vertrauenswürdig sein – zu viele Beteiligte könnten die angebotenen Anwendungen modifizieren. Aber auch außerhalb der Walled Gardens gewinnt man nicht viel Sicherheit, so lange nicht jeder den Quelltext selbst überprüft und kompiliert. Alleine das Kompilieren erfordert ein so tiefgehendes Wissen, dass selbst gestandene Informatiker_innen damit ihre Probleme haben. Den Quelltext einer komplexen Anwendung zu überprüfen ist illusorisch. Selbst teure professionelle Audits, bei denen mehrere Sicherheitsforscher_innen mit viel Erfahrung über Wochen beschäftigt sind, finden nicht alle Schwachstellen.

Und dann bleibt da noch der Rest des Stacks: Die Programme laufen auf einem Betriebssystem, werden von einem Compiler übersetzt, benutzen vielen Bibliotheken, das ganze läuft auf CPUs, nutzt Festplatten und RAM. All diese Komponenten müssten überprüfbar sein. Doch nicht einmal dem Compiler kann man trauen, wie Ken Thompson in Reflections on Trusting Trust beschreibt, denn ein Compiler benötigt ebenfalls einen Compiler. Und selbst wer ihren Compiler von Hand per Hex-Editor eintippt, muss ihrem Editor und ihrem Prozessor vertrauen – ein Turtles all the way down-Problem. Wer nicht den gesamten Stack aus prüfbaren Bauteilen aufbaut, kann keine absolute Sicherheit haben.

Und deshalb sind technische Ansätze zwar wichtig, aber auf Dauer keine Lösungen. Bestenfalls werden die Angreifer_innen gezwungen, mehr Mittel aufzuwenden. Damit verlagern wir das Problem aber nur in die Zukunft. Gegen Geheimdienste muss politisch vorgegangen werden. Die Demokratie muss jede zu große Ansammlung von Macht bekämpfen – auch in sich selbst.

In eigener Sache: Jobangebote!

tl;dr: wir suchen für intosite Entwickler, DBAs/DB-Devs, Ops (gerne mit Dev-Hintergrund). intosite ist klein (~50 Leute) und nett und es arbeitet sich fein hier, und wir wollen noch viel besser werden. srsly. Mit euch. Bitte keine Agenturen oder Headhunter.

Wir nutzen vornehmlich Python (Django und Flask) für die bestehenden Projekte, für neue Projekte ist nichts in Stein gemeißelt. Die intosite arbeitet viel mit der Ganske Verlagsgruppe zusammen, die u.a. Marken wie PRINZ, Für Sie, MERIAN, Der Feinschmecker etc. haben – und erkannt, dass Print auf Dauer kein leichtes Geschäft mehr sein wird. Außerdem ist intosite als Dienstleister für andere Unternehmen tätig, will sich aber nicht als Agentur verstanden wissen (und macht keine Überstunden und Wochenendschichten).

Neben der angenehmen Arbeitsatmosphäre, guter Arbeitsplatzausstattung und natürlich einem angemessenen Gehalt (wir kennen die Hamburger Preise schließlich) bieten wir auch einige nette Perks: breite Auswahl an kostenlosen Getränken (inkl. Mate), mehrmals wöchentlich frisches Obst, Pantryküchen sowie eine Vollküche, dauernd Kuchen und anderen Süßkram, Kaffeevollautomaten, ein recht ruhiges Büro, viele Freiheiten (Home Office und Remote Office sind grundsätzlich kein Problem), und ein prima Team. Außerdem arbeiten wir agil, ohne dogmatisch zu sein. Es gibt keine Agile-Berater, wir machen nicht stur SCRUM nach Vorschrift, sondern sind pragmatisch. Was funktioniert, wird gemacht, was nicht, wird geändert.

Daher suchen wir für Festanstellung in Vollzeit, am liebsten in Hamburg, aber möglich auch Full-time-Remote:

Webentwickler_innen: Wenn du schon Django oder Python kannst, ist das prima, aber lernfähige Leute schulen wir auch gerne um 🙂 PHP-Kenntnisse schaden nicht, weil wir noch ein paar Legacy-Projekte in PHP haben, die man zumindest verstehen können sollte (falls mal wieder Updates von Libraries anstehen). Auch Frontend-Entwickler werden gebraucht: HTML5, CSS (Compass/Sass), JavaScript (v.a. jQuery), Erfahrung mit Mobile ist toll, aber kein Muss.

Sysadmins/Ops: Unser Hosting ist ein wenig wild gewachsen über die letzten Jahre. Wir haben jetzt alles in Chef und Nagios, aber eigentlich sollte das mal jemand konsolidieren. Wir bauen grade eine „Privater Arsch“ auf, sprich Blade Center in ein lokales RZ, darauf ein OpenStack, OpenShift oder Proxmox. Auf den Servern/VMs läuft meistens ein Stack aus Apache, mod_wsgi und PostgreSQL, wir wollen aber eigentlich zu nginx und gunicorn oder uwsgi. PHP-Kram läuft auf eigenen VMs unter mod_php. Ein paar Seiten werden von externen Dienstleistern betrieben, so dass man mit denen gelegentlich kommunizieren muss.

DBA: Zum einen brauchen wir Verstärkung im DBA-Bereich, weil Einrichtung und Betrieb der Datenbanken immer mehr Zeit in Anspruch nimmt. Das meiste ist PostgreSQL, manches läuft noch auf MySQL, wir schauen uns aber auch NoSQL immer mal wieder an. Momentan haben wir keinen Einsatzzweck dafür, aber auch nicht genug Expertise um es 100% beurteilen zu können.

Database Developer: Wir haben und entwickeln eigene zentrale Dienste, die alle möglichen angeschlossenen Seiten bespielen können (v.a. Daten wie Locations, Events, etc.), sowohl intern als auch extern. Deshalb suchen wir Menschen mit Erfahrung in zentralen Diensten: Worauf muss man achten, um Daten ggf. kundenspezifisch anzureichern, wie skaliert man sowas, etc.

Development Lead: Ahnung von allem und Erfahrung im Führen von Teams. Sozialkompetenz ein Muss.

Die Original-Stellenanzeigen (enthalten ein wenig Marketingsprech):

Bei Interesse mailt mir bitte mit einer kurzen Selbstbeschreibung und gerne auch Referenzen, Github- oder Bitbucket-Repos, etc.

Keine Agenturen/Headhunter. Danke.

Subcritical Mass

Letzten Freitag fuhr ich (endlich!) bei Critical Mass Hamburg mit. Mehrere Tausend Radfahrer_innen, im großen Pulk („Fahrradverband“ gemäß § 27 Abs. 1 StVO) für ein paar Stunden kreuz und quer durch die Stadt. Die Veranstaltung wirbt für ein besseres Miteinander im Straßenverkehr und will Fahrradfahrer_innen sichtbarer machen.

Ich kann das Gefühl nicht beschreiben, man sollte es einfach mitmachen. Die Stadt wird unglaublich klein, man sieht unglaublich viele neue Dinge, trifft Menschen, und hat großen Spaß. Und deshalb möchte ich es gerne öfter tun, brauche dazu aber immer mindestens 15 Gleichgesinnte. Bevor ich dazu jetzt ein Tool baue, frage ich daher in die Runde: Finden wir genügend Interessent_innen, um ein- oder mehrmals pro Woche im „Verband“ durch Hamburg zu brausen?

Bitte kommentiert, ob ihr euch das vorstellen könntet, in welchem Stadtteil ihr wohnt, und ob ihr noch andere Ideen habt!

Update 2013-09-03: Kommentare waren kaputt, mea culpa. Jetzt geht’s.

Kundendienst im Social Web

Zeichen! Wunder! Philips haben auf meinen Blogeintrag reagiert. Nein, das eigentliche Wunder ist natürlich nicht, dass sie reagieren – so viel halte ich dann doch von Philips – sondern, dass ich ihre Mails in meinem Spamordner gefunden habe. Die lagen da nämlich schon ein paar Tage drin. Nun ja, dafür hatte Philips ja auch auf meine Mail vom 13. März nicht reagiert. Anyway.

Das Audio-Video-Apps-Team schreibt:

[…]
With respects to the observations made on DockStudio App, we are interested in knowing a more detailed review, providing also Docking Station model, Smartphone model and OS installed.

Thanks you very much for your feedback.

Und Philips Webcare schreiben:

Es tut mir leid, dass Ihre AD7000W-Speaker nicht in der Art und Weise funktionieren, wie es Ihren Vorstellungen entspricht. Wir möchten Ihnen anbieten, Sie zu kontaktieren, um den Sachverhalt persönlich mit Ihnen zu besprechen. Unter welcher Telefonnummer und zu welcher Tageszeit erreichen wir Sie am besten?

Klingt doch gut. Dem AV-Apps-Team hab ich eine kurze Zusammenfassung geschickt, aber ehrlich gesagt, die Fidelio-Apps sind so schlecht, dass ich sie noch nichtmal wieder installieren will, um Screenshots zu machen. Die sollten mit dem Flammenwerfer gereinigt werden und dann von Grund auf neu gebaut. Vielleicht von jemandem, der sich mit Android-Entwicklung und -UX auskennt.

Webcare schickte ich meine Telefonnummer, und heute meldete sich dann ein ausnehmend freundlicher Mitarbeiter, der auch noch technisch versiert war und kein doofes Script abgespult hat. Respekt, immerhin hatte ich ihr Produkt als „Scheiße“ bezeichnet. Wir spielten kurz Firmware-Versionen, Router-Setup und Wifi-Konfigurationen durch und tatsächlich funktionierten die Fidelios für ein paar Minuten prima. Leider nur der Vorführeffekt. Momentan funktionieren immerhin 2 von 3 Geräten, was ein Fortschritt ist. (Update: Mehr Debugging: Sobald mehr als ein Gerät angesteuert wird, fallen alle aus und nur eins recovert. Das passiert auch, wenn zwei Rechner auf zwei verschiedene Geräte streamen.)

Philips will sich wieder melden. Die Specs der Geräte einfach offen zu legen, geht vermutlich nicht, weil das ein OEM-Design ist (was auch die Firmware voller Füllhörner erklären könnte). Schade eigentlich. Man wird es doch noch selbst reverse engineeren müssen.

Kundenservice im Web jedenfalls: Geht. Gleichzeitig sammeln sich aber bei Amazon & Co. weiter die negativen Bewertungen des Produkts an, da es schlicht in den meisten Umgebungen nicht so funktioniert, wie es soll.

Stay tuned.

Eskapismus

Wenn das ganze Leben mit all seinen Forderungen und Zwängen einen früher zu sehr deprimiert hat, musste man sich in Drogen flüchten: Religion, Geld, Alkohol, Opium, Heroin. Oder man überredete einen König, eine Expedition in ferne Länder zu finanzieren. Oder man zettelte einen Krieg an.

Heute ist das mit Religion (zum Glück), Geld (it’s complicated), dem Opium (eh langweilig), den Expeditionen (Mangel an Geld bzw. Königen) und den Kriegen schwierig geworden, von Heroin und zu viel Alkohol lässt man auch lieber die Finger (wegen der Health-Consciousness), das Höchste der Gefühle ist mal ein angetrunkener One-Night-Stand nach zu vielen Cocktails.

Der Eskapismus ist tot.

Am nächsten Morgen geht es wieder ins Büro, Kernarbeitszeit 10-16 Uhr, der Job ist ja locker. Aber mindestens acht Stunden pro Tag werden schon erwartet, besser zwölf, wenn man nicht der faule Underachiever sein will, und der Kollege kommt um 6 Uhr und geht nie vor 21 Uhr, und auch dann nur, weil er ja Familie und so. Sie verstehen.

Und am Ende des Arbeitstages – Job title: Director of Hiding Frustration – geht man nochmal ne Runde Laufen, mit Runtastic, für die Facebook-„Freunde“, oder Fahrradfahren – nicht unter 50km, was sollen denn die Facebook-Freunde denken. Die Quote der verschwitzten Workout-Instagrams ist eh schon verdächtig niedrig.

Hat man sich im Job ausreichend aufgerieben, kann man dann endlich in Urlaub fahren. Aber nur ne Woche, die Projekte, natürlich. Und nicht in die touristischen Gebiete, da sind ja andere Reisende. All-inclusive ist eh für die Proleten, wer sich nicht in fließender Landessprache selbst von den lokalen Kleinbauern versorgt und mit Campingkocher oder wenigstens im Bungalow selbst kocht, kann auch gleich den Lonely Planet und lesen und sich mit den anderen Hipstern und Althippies über die beste heiße Schokolade austauschen.

Schließlich geht es zurück in die Schinderei. Es dauert nicht lange, bis die Ausbruchsgedanken wiederkommen. Aber wohin gehen und was tun? Selbstversorger in Brandenburg? Panama? Aussteigen ist nicht. Wer keine Steuern zahlt, der wird geholt; wer Steuern zahlt, kann sich genau so gut an die weiße heterosexuelle christlich-abendländische Mittelschicht anketten und dort lieber früher als später eingehen. Revolution? Da steht XKeyScore vor, zumindest behauptet das die NSA. Natürlich, sie haben eine Daseinsberechtigung zu verteidigen. Das allerdings ist für sie so einfach wie für niemanden sonst unter uns, denn Geheimdienste sind per se unfehlbar.

Geheimdienst müsste man sein.