Drei Liter Wasser am Tag soll man trinken, so wollen es die Zeitschriften, die Magazine, die Fernsehsendungen, die Ratgeber, die Experten, die Popkultur. Am besten natürlich das gute Mineralwasser, da es alle notwendingen Mineralstoffe und Spurenelemente enthält, um sich korrekt zu „rehydrieren“.
Das Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit das Tages. Wenn man es schafft, zum Frühstück nur Vollkornprodukte und einen Kaffee zu nehmen, bekommt man sicher irgendeinen Preis irgendeiner Gesundheitspostille. Vielleicht kommt sogar der Chefredakteur der Apotheken-Umschau persönlich vorbei und überreicht Blumen.
Drei Mahlzeiten am Tag sind wichtig, drei Mahlzeiten am Tag sind falsch, sind out, besser sind fünf, sieben, falls man abnehmen will, zwei, zu Abend isst man am besten gar nichts, oder jedenfalls nichts fettiges, nichts süßes, kein Fleisch, und am besten bis man satt ist, oder besser nur halb so viel, wie man möchte, oder vielleicht doch einfach nichts.
Leider kann ich nicht so oft und so laut „Bullshit!“ schreien, wie ich gerne möchte und wie all diesen Themen angemessen wäre. Die Supermärkte und Bücherregale, die Fernsehprogramme und nicht zuletzt das Internet sind voller Selbsthilfe-Tipps, Lebensratgebern, Expertenmeinungen, und einfachen Schritt-für-Schritt-Anleitungen für irgendwelche Erfolge. Und sie sind alle noch nicht einmal der selben Meinung, was denn nun der richtige Weg ist – mehrmals täglich kann man widersprüchliche Aussagen zu jedem Thema bekommen, immer in autoritativ klingende Worte verpackt. Wissenschaftler haben jetzt jedoch herausgefunden, dass das alles, nun ja, ziemlicher Unsinn ist.
Mindestens drei Liter Wasser am Tag, ein von der Mineralwasserindustrie gesponsortes Paper. Die Realität ist, dass man einfach auf sein Durstgefühl hören sollte und die meisten Menschen einfach nie zu wenig trinken. Mineralwasser ist zumindest in Deutschland, wo die Trinkwasserqualität durchgehend sehr hoch ist, wirtschaftlicher, ökologischer und gesundheitlicher Unsinn: Grenzwerte für Schadstoffe und Krankheitserreger sind für abgefülltes Wasser deutlich lascher als für Leitungswasser, außerdem gibt es für letzteres schon Infrastruktur in fast jeden Haushalt, man muss also nichts abfüllen, transportieren, vertreiben oder zurücknehmen. Wenn der Urin mal etwas dunkler ist als sonst, ist das kein Alarmsignal, sondern schlicht der Körper, der mehr Wasser zurückhält. Trinkt man so viel, dass der Urin fast klar ist, verschwendet man schlichtweg Wasser, das der Körper dann einfach ausscheidet.
Frühstücken soll man, wenn man morgens hungrig ist. Das geschieht mir z.B. fast ausschließlich, wenn ich am Vorabend kohlenhydratreich gegessen habe, also Pizza oder belegte Brote. Wie mit der Ernährung im Allgemeinen, sollte man auch zum Frühstück möglichst wenig Kohlenhydrate konsumieren, erst recht nicht aus Vollkornprodukten, die den Verdauungstrakt unnötig reizen oder schädigen.
Auch für die restlichen Mahlzeiten des Tages kann man auf seinen Körper hören und essen, was man will, wann man will, so viel man will – eigentlich. Denn wir sind leider durch Arbeitswelt und ähnliche strukturelle Widrigkeiten Zwängen unterworfen, die uns häufig darin einschränken, was und wann wir essen können. Außerdem sind wir häufig stark auf Zucker und andere Kohlenhydrate trainiert und nehmen diese als normalen Bestandteil der menschlichen Ernährung wahr, statt als Droge, aus deren Abhängigkeit wir uns befreien sollten.
Grundsätzlich können und sollten wir unseren Körpern jedoch vertrauen. Jahrtausende der Evolution haben zwar kein perfektes Wesen hervorgebracht, aber immerhin eines, das in fast allen Umgebungen überleben kann. Solche Triebe wie Hunger, Durst oder Schlafbedürfnis sind verlässlich, der Körper versucht sich selbst im Gleichgewicht zu halten – Homöostasis. So lange wir uns nicht mit unnatürlichem Verhalten sabotieren und bis in die Nacht arbeiten, zu viele Kohlenhydrate zu uns nehmen, Alkohol und andere Drogen missbrauchen, so lange ist unser Körper ein zuverlässiger Ratgeber in Überlebensfragen. Es ist albern und traurig, dass in unserer Gesellschaft so viele Menschen in diesen Fragen so unglaublich unsicher sind, was elementarste Bedürfnisse angeht.
Unsere Umgebung ist in vielfacher Hinsicht unnatürlich, aber wenig ist so grundlegend schädlich wie die breite Verwirrung hinsichtlich Schlafen, Trinken und Essen – nicht ohne Grund werden diese Bedürfnisse immer wieder zuerst genannt, wenn es darum geht, was für das Überleben notwendig ist und in welcher Reihenfolge. Wir sollten auf unsere Körper hören. Homöostasis knows best.